Wir schlendern gemütlich durch lange Korridore zu unserem Bestimmungsort. Künstliches Licht weisst uns den Weg in den Bauch eines mächtigen Gebäudes. Es kommt uns vor, als würde uns der Klotz wieder einmal verschlucken, und wir leisten ihm aus Gewohnheit und Vernunft keine Gegenwehr. Der Alltag mit seinen regulären Abläufen und Verpflichtungen hat uns fest im Griff – soll sein.
Wir schreiten etwas monoton der bildenden Zukunft entgegen. Wir erwarten keine Überraschungen. Unsere Stimmung ist nicht bedrückt, sondern lediglich im normalen Alltagsmodus. Wir spazieren bei einem riesigen Fenster vorbei und ich spähe hinein.
Normalerweise ignoriere ich die Grossscheibe freundlich, denn ich habe andere Aufgaben zu erfüllen. Das Glas nimmt seine Bestimmung wahr, indem es nach der Logik des Erbauers ein wenig natürliches Licht in den dunklen Bau dringen lässt.
Was ich betrachte, lässt mich das Handy zücken und ich beginne Bilder zu knipsen. Jemand aus der
Gruppe ruft: «Hey, wir müssen weiter! Jetzt bleibt keine Zeit für Fotos. Weshalb tust du das jetzt – typisch?». Ich sage ihm, dass ich das Paradies hinter dem Glas zumindest in meinem Handy aufbewahren möchte. Er schaut mich etwas verdutzt an. Ich weiss nicht, was er sieht, aber Sie müssen wissen, hinter der Scheibe leuchten mir atypisch grelle und saftige Farben in der kalten Jahreszeit entgegen. So als ob sich der ewige Sommer vor dem schlafenden Winter hätte retten können. Ich selbst fühle mich fast schon etwas entrückt und hätte Lust in den «tropischen» Wald hineinzutreten. Ich lasse es bleiben, denn die mir zugewandte Stimme reisst mich jäh aus meiner verklärten Vorstellung heraus: «Komm, wir müssen gehen, denn die Stunde beginnt gleich».
Was ich mitnehme, fragen Sie sich vielleicht. In den wenigen Minuten vor meinem persönlichen «Waldparadies» kam mir ein Bibelvers in den Sinn, der so lautet:
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt …
(Offenbarung 21,1ff)
Wir schreiten vielleicht gemütlich und bestimmt, wie gewöhnlich, in ein neues Jahr hinein. Was erwartet Sie? Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen im Meer vom Alltag ein heiliger Moment. Zücken Sie ihr Handy hervor und halten Sie es fest, denn Sie werden Zeugen vom kleinen Paradies (Vielleicht schickenSie mir das Bild). Und schöpfen Sie daraus Kraft und Ruhe, denn das neue Jahr braucht bestimmt Menschen, ausgestattet mit Schöpfungskraft. Ein gutes neues Jahr wünsche ich Ihnen!
Pfarrer Fabio Carrisi