Danke

Der gross gewachsene Mann setzt sich auf einen Zwergenstuhl an einem winzigen Tisch und verlangt nach «Chicken-Nuggets und Pommes ». Dabei hämmert er wie ein schrecklicher Anton mit seinen Fäusten auf die Tischplatte, während er das Messer und die Gabel fest umklammert. Und er skandiert wiederholt: «Chicken-Nuggets und Pommes!» «Chicken-Nuggets und Pommes!» Das beliebte Kindergericht bekommt er selbstverständlich sofort. Da er nicht den Anschein erwecken will, dass er eine schlechte Kinderstube genossen hat, bedankt er sich artig, wie wir es von gut erzogenen Kindern erwarten würden. Die Szene wirkt witzig und komisch zugleich, weil der Hüne selbst kaum Platz auf dem Stuhl findet. Für das Mobiliar ist er viel zu mächtig und im Endeffekt zu erwachsen, er wirkt wie ein Schwinger auf einem Bobbycar.

Plötzlich schaut er sich um und sieht eine wunderbar gedeckte Tafel an einem eleganten und majestätisch anmutenden Tisch. Der mächtige Mann setzt sich an die gediegene Tafel und beginnt würdevoll die leckeren Speisen zu geniessen, die alle in herrlichen Schalen und Töpfen angerichtet sind. Dabei skandiert er nicht, sondern hebt sorgfältig und geduldig Deckel für Deckel. Wir werden Zeugen einer ehrenvollen Mahlzeit.

Ich höre die Predigerworte in meinem Ohr widerhallen: «Es gibt zwei Arten von Dankbarkeit», sagt der Fernsehprediger. Die erste Art ist eine unmittelbare, wahrscheinlich infantile Art der Dankbarkeit. Sie beantwortet das unmittelbare, gestillte Bedürfnis und macht das Dankesagen einfach. Ich will X und kriege X und bedanke mich für X. Merci. Die zweite Art der Dankarkeit ist eher eine Grundhaltung. Es ist der Mensch, der grundsätzlich dankbar durchs Leben geht, auch wenn er Entbehrungen zu ertragen hat.

Im Psalm 23 schreibt der Dichter im Vers 4: «Und ob ich wandere im finsteren Tal, so bist du dennoch bei mir». Oder im Vers 5 heisst es bildstark: «Du bereitest mir im Angesicht meiner Feinde einen Tisch». Der Psalm ist ist in tiefem, zuversichtlichem Gottvertrauen gegründet. Voller gläubiger Zuversicht und ehrlicher Dankbarkeit gegenüber dem Leben und dem Schöpfer setzt er sich geduldig und vertrauensvoll an den von Gott gedeckten Tisch, der ihn zur rechten Zeit mit allen guten Gaben überschüttet.

So passte die Eingangsrede der Jugendlichen bei der Konfirmation seidenfein dazu, wonach sie feststellen, dass sie sich auf diesen lang ersehnten Tag gefreut haben. Es ist der Tag, an dem sie den ersten Schritt zum Erwachsenwerden machen. Die Konfirmand:innen freuen sich auf den festlichen Gottesdienst mit viel Illustrationen und Musik. Sie freuen sich auf die fein gekleideten Gäste, auf den leckeren Apéro, aufs festliche Essen anschliessend und auf die Geschenke.

Eines aber wollen sie ohne Wenn und Aber von Herzen lautstark aussprechen: Danke Mami, danke Papi, danke «Gotte» und «Götti», danke Grossvater und Grossmutter, danke Schwester und Bruder, danke Onkel und Tante und danke ihr alle, die ihr beigetragen habt, dass aus mir das wurde, was heute vor euch und Gott steht. Ich denke, die Jugendlichen haben, Gott sei es gedankt, eine wichtige Tugend im Leben erlernt: Die Dankeshaltung.

Pfarrer Fabio Carrisi

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