Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Manchmal wird auch gesagt: Pfingsten ist die Geburtsstunde der Kirche. Nach der Auferstehung von Jesus (Ostern) und seiner Rückkehr in den Himmel (Auffahrt), wurden seine Freunde und Anhängerinnen an Pfingsten mit dem heiligen Geist erfüllt. Diese Geistkraft bewirkte, dass sie eine solche Leidenschaft ausstrahlten und so überzeugt und furchtlos vom neuen Glaubensweg sprachen, dass sich ihnen am Pfingsttag in Jerusalem Tausende anschlossen. Die Kirche war geboren. Während vielen Jahrhunderten ist sie gewachsen, ist vielfältig und bunt geworden.
Und heute?
Am 5. Juni feiern wir wieder diesen be-Geist-erten Start der Kirche. Grund, sich zu freuen. Aber auch Grund, sich Gedanken zu machen. Denn Schlagzeilen wie «Warum glauben immer weniger Menschen an Gott?», oder «Der Transfer des Glaubens gelingt nicht» weisen auf eine nicht zu leugnende Tendenz hin: Der Glaube an Gott schwindet. In westlichen Gesellschaften wird Religion immer weniger wichtig. Weniger beten. Weniger Kirche. Weniger Einbezug der Religion in politischen Entscheidungen.
Kürzlich hat eine grosse Trendstudie der Religionssoziologen Jörg Stolz und Jeremy Senn von der Universität Lausanne dazu Interessantes herausgefunden: Weltweit kann festgestellt werden, dass die religiöse Bindung mit zunehmender Modernisierung, Wohlfahrt und Liberalisierung abnimmt. Dabei ist dann jede Generation etwas weniger religiös als die vorangehende. Zwar gibt es immer einzelne Individuen, die im Verlaufe des Lebens religiös werden oder den Glauben verlieren, aber diese fallen nicht so sehr ins Gewicht. Entscheidend ist vielmehr die Weitergabe des Glaubens von einer Generation zur nächsten. Und genau da klemmt es. Die Familie ist der wichtigste Ort, wo Glauben vermittelt wird, denn religiöse Bindung entsteht mehrheitlich im Kindes- oder Teenageralter. Die Hypothese, dass im Verlaufe des Lebens und insbesondere mit dem Älterwerden der Glaube wichtiger wird, stimmt so nicht. Die älteren Menschen, die wir heute in der Kirche sehen, hatten meist schon als Kinder einen Bezug dazu. Mit ihrem Wegsterben verliert die Kirche Mitglieder, die nicht mehr durch eine nächste Generation ersetzt werden.
Ebenso unzutreffend ist die Vermutung, dass die Menschen, die in den herkömmlichen Kirchen fehlen, durchaus noch religiös aktiv sind, aber zunehmend in alternativen geistlichen Gefilden anzutreffen sind, also zum Beispiel in anderen Glaubensgemeinschaften, fernöstlicher Spiritualität oder Esoterik. Auch diese Annahme wird von der Studie widerlegt. Vielmehr zeigt sich: Das Interesse an und die Kenntnis über jegliche Art von Religiosität nimmt generell ab. Punkt.
Was heisst das nun?
Selbstverständlich möchte ich als Pfarrerin jede Altersgruppe im Blick haben. Ein grosses Anliegen muss uns Kirchenleuten aber die Unterstützung von Eltern und Familien in der religiösen Erziehung sein.
Bald werde ich Grossmutter. Ich wünsche mir eine kinderfreundliche Kirche, die der nächsten Generation die Geschichten der Bibel weitergibt und zur religiösen Beheimatung und Alphabetisierung beiträgt. Für die Zukunft der Kirche. Damit nicht erst Not uns wieder beten lehrt.
Pfarrerin Silvia Liniger