«I schänke dir mis Härz, meh hani nid.» Kennen Sie dieses Lied von Züri West? Ich mag es gut. In diesem Song lässt Kuno Lauener die Funken der Liebe knistern, körperlich und seelisch. In diesem Sinn möchte er sein Herz schenken. Mein Herz verschenken, das kann ich auch so verstehen:
Wann haben Sie das letzte Mal Mitgefühl für jemanden empfunden? Wer war diese Person? Was war der Anlass? Bezog sich Ihr Mitfühlen eher auf etwas Angenehmes wie Freude, Begeisterung oder Liebe oder war es eher ein Mitschwingen mit etwas weniger Angenehmem wie Trauer oder Schmerz?
Im Unterschied zum Mitleid umfasst das Mitfühlen jegliche Art von Gefühlen, die Sie mit jemandem teilen. Mitfühlen ist ein innerliches Mitschwingen und ein Verstehen, das das Gegenüber auch wahrnimmt. Oft wird dafür das Wort «Empathie» gebraucht, wörtlich: Mit-Leidenschaft.
Wenn eine Person mit mir fühlt, spüre ich, dass es einer Person nicht gleichgültig ist, wenn ich mich freue oder leide. Ich fühle mich wahrgenommen und es tut mir gut, in Freude und Leid nicht alleine zu sein.
Mitfühlen ist keine Zurkenntnisnahme – sondern emotionales Mit- schwingen und Verstehen, das gegenseitig Herzen bewegt. Solches Mitfühlen ist die Voraussetzung dafür, dass ich zum Beispiel trösten kann. Denn Trost ist ja oft weniger der Ausdruck von Zuversicht mit Worten. Im Stil von: «Es chunnt de scho guet». Vielleicht kommt es ja nicht gut. Trost ist dann das mitfühlende Dasein einer lieben Person.
«I schänke dir mis Härz». Und jetzt sagt oder macht jemand etwas, das uns nicht passt. Ist dann mit unserer Empathie Sense?
Sie kennen vielleicht Personen, die Ihnen Mühe machen. Haben Sie sich auch schon zu erklären versucht, warum diese Person so handelt? In der Regel fällt es uns einfacher, eine Person weniger zu verurteilen, wenn nebst dem Verstehen auch das Einfühlen ins Spiel kommt.
Dazu stelle ich mir vor: Wie war das bei dieser Person früher? Was hat sie vermutlich erlebt?
Wurde sie oft geplagt und wehrte sie sich, oder nicht? Kenne ich dieses Gefühl der Aggression oder der Machtlosigkeit auch in mir? Kein Wunder ist dieser Mensch jetzt oft angriffslustig.
War eine andere Person stets von liebevoller Fürsorge umgeben und jemand hat unentwegt für sie gesorgt? Es scheint mir nachvollziehbar, erträgt dieser Mensch kaum Frustration. Kein Wunder mag er dieses Gefühl der wohligen Wärme nicht verlassen.
Je mehr ich mich also ins Einfühlen einübe, desto mehr gewinnt dieser Satz an Kraft: Ich fühle mit, und es fällt mir schwerer, bei meiner Einstellung zu bleiben … Nun ja, gäbe es da nicht auch diese Lust daran, andere einfach «blöd» zu finden und es dabei bleiben zu lassen.
Irgendwann wird auch der Punkt kommen, an dem ich mich vom Mitschwingen löse und ich wieder bei mir bin und der andere bei sich selbst ist. Ich befürchte jedoch in unserer Zeit weniger, dass jemand zu viel Empathie erhält und dadurch verweichlicht wird – obwohl es dies sicher auch gibt. Mitgefühl ist eher Mangelware. «Habt Mitgefühl füreinander!» steht in der Bibel (1. Petrus-Brief). Oder mit einem chinesischen Sprichwort: «Gebt denen, die leiden, von eurem Herzen.»
Pfarrer Peter Geissbühler