Ich verabschiede mich von euch

Manchmal erinnern uns Ereignisse daran, wie kostbar Zeit ist. Ich lasse mich am 31. Januar 2026 mit 61 Jahren pensionieren. Ohne die gesundheitlichen Herausforderungen, die mich an die Endlichkeit meines Lebens erinnern, hätte ich wohl länger weitergewirkt. Gerade diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie mir Menschen hier ans Herz gewachsen sind.

Während 15 Jahren in Nidau habe ich mich an einer Fülle schöner Begegnungen erfreut. Trauungen und Taufen haben mich beglückt, weil ich dort euer pulsierendes Glück gespürt habe, das in mir Resonanz fand. Trauerfeiern haben mich bewegt, Trauerfeiern haben mich bewegt, weil sich mich nahe an eure und meine Verletzlichkeit und unsere Widerstandskraft führten. Die Arbeit mit Jugendlichen der 7. bis 9. Klassen hat mich heiter gestimmt – sie hat mich gelehrt, wie unverstellt und überraschend Menschen sein können. Von ihnen habe ich auch gelernt, konsequenter und klarer zu sein – eine Lernerfahrung, die ich nicht missen möchte.

Mein Weg mit Religion war nicht gerade. Jugendliche Gewissheiten im engen Umfeld meiner Herkunftsfamilie; Zeiten des Aufbruchs, der Begeisterung, der Ängste und meines Suchens nach «Wahrheit», haben mich geprägt. Viele Gespräche mit euch – euer Fragen, euer Zweifeln, eure eigenen spirituellen Wege – haben meinen Blick geweitet. Heute finde ich in Erzählungen und Erfahrungen der ganzen Welt meine Quellen für Spiritualität.

Wichtig ist mir, aktuelles Wissen über den Menschen und den Kosmos zu integrieren, so dass Glaube und kritisches Denken Hand in Hand gehen. Oft habe ich in Gesprächen mit euch erlebt, wie fruchtbar es wird, wenn wir gemeinsam suchen, tasten, ausprobieren. Zuweilen schmerzt dieser Spagat. Doch hat mich diese Spannung freier gemacht. Sie hat Räume eröffnet, in denen Staunen, Weite und die faszinierende Vielschichtigkeit so vieler Personen spürbar werden – auch und besonders in unseren Begegnungen.

Schwierige Momente gab es ebenfalls. Ich denke an Pfarrpersonen, die nach kurzer Zeit die Kirchgemeinde Nidau verliessen, obwohl sie sich mit Leib und Seele engagierten. An strukturellen Mängeln können sich Menschen wundreiben oder erschöpfen. Gleichzeitig bin ich dankbar für die jüngeren Personen, die mutig neue Wege suchen und der Arbeit weniger Zeit widmen als frühere Generationen, um ihrem Sehnen und Entdecken mehr Raum zu geben. Für mich persönlich war alles Organisatorische stets mühsam. Daten drei Mal zu kontrollieren, bevor sie öffentlich werden, kostete mich viel Überwindung. Dass ich das nun in weiten Teilen los bin, freut mich – ich habe es kürzlich laut ausgesprochen.

Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt. Seit ich mit vier Jahren in den Kindergarten kam, war mein Lebensrhythmus fast immer von äusseren Zeitmessern und Notwendigkeiten geprägt. Wenn diese nun weitgehend wegfallen – was wird dann? Ich weiss es nicht. Mein Schatten wird mit mir auf die Reise gehen. Doch eines wird mir gut tun: den Momenten der Langeweile nicht auszuweichen, sondern sie auszuhalten, bis etwas mich ziehen wird. Vielleicht wieder Bekanntes: der Klang und Rhythmus gesprochener Sprache, dieses wunderbare berndeutsche «äuä», Fremdsprachen, Musik, Natur, Reisen, Literatur, Religion, Psychologie oder Philosophie. Es erfüllt mich mit Vorfreude, hoffentlich auch neue Horizonte zu entdecken. Ich rechne damit, dass auch das eine oder andere, das ich von euch mitnehme, dazu beitragen wird.

In all dem Abschiednehmen spüre ich die vielen Gesichter, Stimmen und Wege, die mich in diesen Jahren begleitet haben. Menschen, mit denen ich lachen, essen, suchen, zweifeln, feiern und trauern durfte.

Wenn ich nun weitergehe, nehme ich diese gemeinsamen Wege mit: eure Geschichten, eure Fragen, euer Vertrauen. Ihr habt mich geprägt und bereichert – oft unsichtbar für euch. Doch so manches von euch ist in mir lebendig und wird mich weiterhin begleiten.

Ich verabschiede mich in Dankbarkeit und mit der Zuversicht, dass das, was uns verbunden hat, nicht endet. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege wieder – und wenn nicht, bleibt dieses leise Wissen: dass wir ein Stück unseres Lebens geteilt haben und etwas davon nachklingt.

Peter Geissbühler

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Sonntag, 25. Januar, 10.00 Uhr

Peter Geissbühlers letzter Gottesdienst vor seiner Pensionierung

Kirche Nidau

Mit Gabriel Wenger (Saxophon), Salome Moana (Gesang), Pascal Widmer (Schlagzeug) und Sally Jo Rüedi (Orgel).

Anschliessend Apéro.

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