Reise abgesagt – Gebet angesagt

Wenn wir schon nicht zusammen reisen, dann zusammen beten? Foto: Silvia Liniger

Eigentlich sollte ja jetzt, im April 2024, unsere geplante Gemeindereise nach Israel/Palästina stattfinden. Nach der Vorankündigung letzten Sommer, hatten einige Leute aus der Kirchgemeinde schon grosses Interesse bekundet und ihre Teilnahme in Aussicht gestellt. Voller Vorfreude hielt ich Anfang Oktober die druckfrischen Prospekte mit dem Reiseprogramm in den Händen. Der Infoabend stand bevor.

Doch es kam anders. Am 7. Oktober verübte die radikal-islamische Hamas einen Terrorangriff auf Israel, 1200 Menschen fielen dem Massaker zum Opfer, 230 wurden als Geiseln verschleppt, Kinder, Frauen, Männer.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas hat seither tausende von zivilen Opfern gefordert. Die israelische Armee hat den Gazastreifen in Schutt und Asche gelegt. Bis heute (Stand Ende Februar) ist keine Waffenruhe in Sicht, und eine Lösung des jahrelangen Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern scheint weiter weg denn je.

Eine Gemeindereise ins «Land der Bibel» ist unter diesen Umständen nicht denkbar. Meine Betroffenheit ist gross, denn was in Israel passiert, muss meines Erachtens für die Kirche immer ein Thema sein. Doch was heisst «Israel»? Geht es um ein Land, ein Volk, einen Staat (mit seiner Politik), einen biblischen Begriff? Es ist vielschichtig und eine lange Geschichte. Die Vernichtung eines grossen Teils des europäischen Judentums im zweiten Weltkrieg hat die Kirchen aufgerüttelt. Der Zusammenhang zwischen dem Judenhass der Nazis, dem modernen Antisemitismus und dem jahrhundertealten, auch kirchlich geprägten Antijudaismus liess sich nicht leugnen.

Vielerorts entstanden in der Nachkriegszeit christlich-jüdische Dialoggruppen. Ein theologisches Aufarbeiten fand statt. Es äussert sich in Sätzen, wie diesem: «Gott hat Israel zu seinem Volk erwählt und nie verworfen. Er hat in Jesus Christus die Kirche in seinen Bund hineingenommen. Deshalb gehört zum Wesen und Auftrag der Kirche, Begegnung und Versöhnung mit dem Volk Israel zu suchen.» (Aus einem Positionspapier der Evangelisch-reformierten Kirche Deutschlands, 2022).

In christlich-jüdischen und interreligiösen Gesprächen wurde oft versucht, die Nahostpolitik draussen zu lassen. Doch das ist schwierig, gerade jetzt. Eine gerechte Lösung scheint es nicht zu geben. Das Dilemma, die Ausweglosigkeit bedrücken. «Wie lange noch, Herr?» Diese quälende Frage findet sich wiederholt in biblischen Klagepsalmen, z.B. im Psalm 13. Sie ist Ausdruck der Ohnmacht, ein Schrei, adressiert an Gott, den Allparteilichen. Wenn wir schon nicht zusammen reisen, dann vielleicht doch zusammen beten? Das Friedensgebt, jeweils am ersten Mittwoch im Monat, bietet Raum dafür.

Silvia Liniger, Pfarrerin

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