Eine offene Tür wünsche ich mir

Sehen Sie die Türe auf dem Bild? Oder vermissen Sie nicht wie ich den echten Durchgang? Eigenartig, jemand muss das Türloch zugemauert haben. Weshalb nur mauert man einen Hauseingang zu? Vermutung treibt mit mir ihr Spiel. Was sicher ist, dass der ursprüngliche Eingang einen nützlichen Zutritt zum Mehrfamilienhaus gewesen war, durch den manch Bewohner und Gast des Hauses schritten. Jetzt schreitet niemand durch den Durchgang – Mauerwerk statt Öffnung. Längst vergessen sind die Zeiten, als sich Hunz und Kunz im Hauseingang kreuzten. Wahrscheinlich kam es gelegentlich vor, dass man unter dem Türbogen ins Gespräch kam: «Sie, wie geht es Ihnen? Haben Sie die hartnäckige Erkältung, unter derer Sie letzte Woche so fest leiden mussten, gut überstanden?» Oder: «Wie waren die Ferien im Jura?». Ja gewiss, die beiden Wohnhausgenossen schwatzten miteinander, philosophierten über Gott und die Welt und verschoben ganz konkret den Waschtag. Es wäre wohl nicht übertrieben, wenn wir sagen, dass Hunz und Kunz reklamierten und sich ab und zu enervierten. Doch sie witzelten gelegentlich ebenso, lachten und ganz selten gab es ein kräftiges Händeschütteln, um einander zu bekunden, dass der Schicksalsmitbewohner ganz okay ist – Hunz hätte es mit Kunz schlimmer erwischen können.

Jetzt, das sagt uns die verschlossene Maueröffnung ist es vorbei, eben mit den alltäglichen Begegnungen und das Aneinander-Denken. Denn wir Menschen ticken so, wenn wir uns nicht regelmässig treffen, dann besteht die Gefahr, dass wir die Verbindung zu einander verlieren. Wir sind schliesslich ebenso Menschen des Sich-Abwendens.

Jetzt glotzt mich dieser blockierende Mauerverschluss etwas matt und gleichgültig an. Das herunterhängende Poster einer Eingangstür, das kaschieren sollte, dass die Tür weg ist, entlarvt das funktionale und ästhetische Vergehen. Obwohl ich noch nie in dem Haus gewesen war, bin ich traurig, dass man sich durchgerungen hat, die Öffnung so derart vom Zweck zu entfremden. Eine Tür ist eine Tür und die wird nicht zugemauert, oder? Finden Sie nicht auch? Na ja, …

Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder wie üblich sich für die kirchliche Unterweisung anmelden. Der Zutritt in die Kirche scheint da und dort wie zugemauert. Begegnungen unter dem Türbogen der Kirche finden nicht mehr selbstverständlich statt. Die Schule, der neue Lehrplan, das Hobby, die Familienzeit und die kürzere, empfundene Freizeit hat dazu geführt, dass nicht mehr alle den Weg durch die Kirchentür nehmen. Die ersten Ziegelsteine wurden auf der Kirchentürschwelle gemörtelt. Doch wir Menschen, Christenmenschen, benötigen einen Ort, wo wir über die grösseren Zusammenhänge konkret und lebendig nachdenken. Das Denken im Glauben ist Annehmen und Verwerfen, bis sich eine stille, lebendige Ökonomie des Innenlebens beginnt zu formen und bewegen. Sie kann durchaus, das Leben unter Menschen tangieren und weit in die Welt fliessen. Das Ringen und Einüben der eigenen Grundwerte sind wichtig. Wäre es nicht wünschenswert, dass wir uns gelegentlich unter dem Kirchentürbogen treffen – Gross und Klein? So als Wohneigentumsbesitzer im Haus Gottes, die wir nach Gottes Augen sind? Lassen wir die Kirchentür offen – das verheissene Land könnte sich dahinter verbergen!

Pfarrer Fabio Carrisi